Ergebnisse zum Wissen von Lehramtsstudierenden der Sozialwissenschaften
Beim Tag der Bildungsforschung am 06.02.2024, präsentierten über 50 Wissenschaftler*innen neue Forschungsprojekte und Erkenntnisse aus verschiedenen Disziplinen. Der jährlich stattfindende UDE-Fachdialog wird vom Interdisziplinären Zentrum für Bildungsforschung (IZfB) ausgerichtet.
In diesem Rahmen präsentierte Frederik Heyen, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für Didaktik der Sozialwissenschaften, neue Befunde zu Unterschieden im Professionswissen von SoW-Lehramtsstudierenden unter Berücksichtigung von Diversitätsmerkmalen sowie zum Zusammenhang von Selbsteinschätzung und Testleistung (vgl. Forschungsposter).
Die zugrundeliegenden Daten entstammen der Studierendenbefragung, die seit über sechs Semestern standardmäßig zu Beginn der Masterstudiengänge Wirtschaft-Politik/Sozialwissenschaften das Professionswissen von Lehramtsstudierenden im Rahmen eines Self-Assessments erhebt (mehr Informationen hierzu unten in der Info-Box).
Erwartungskonform zeigen sich teils hochsignifikante Unterschiede in den Testleistungen von Studierenden bei der Betrachtung von Herkunftsfaktoren wie der Muttersprache oder dem akademischen Hintergrund. Studierende mit einer anderen Muttersprache als Deutsch oder ohne akademischen Hintergrund erzielen teils signifikant niedrigere Testergebnisse. Positiv ist hervorzuheben, dass keine signifikanten Unterschiede zwischen den Geschlechtern bestehen. Die Sprache und soziale Herkunft scheinen auch im Bachelorstudium einen großen Einfluss auf den Wissenserwerb von Studierenden zu haben. Dies deckt sich mit den jüngsten Ergebnissen der großen internationalen Schulleistungsstudien wie PISA und IGLU, nach denen der Kompetenzerwerb von Schüler*innen maßgeblich durch ihre soziale Herkunft bestimmt wird. Diese Herkunftseffekte scheinen sich bis in das Masterstudium fortzusetzen.
Besonders überraschten große Unterschiede zwischen den Testergebnissen der Studierenden der Schulformen Haupt-, Real- und Gesamtschule (HRSGe) und den Studierenden der Schulformen Gymnasium und Gesamtschule (GyGe). Studierende der ersten Gruppe erzielen in allen getesteten Wissensfacetten signifikant niedrigere Ergebnisse. Eine Erklärung könnte sein, dass die Gruppe der Studierenden für die Schulformen HRSGe einen deutlich überdurchschnittlichen Anteil an Studierenden aufweist, für die Deutsch nicht die Muttersprache darstellt und die keinen akademischen Hintergrund aufweisen. Die Befunde werfen Fragen hinsichtlich einer potenziell notwendigen Differenzierung der Studieninhalte und einer gezielten Förderung der Studierenden innerhalb dieser Studiengänge auf.
Nur in zwei der vier getesteten Wissensfacetten zeigen sich schwache Zusammenhänge zwischen der Selbsteinschätzung der Studierenden und ihren Testergebnissen. Lehramtsstudierende scheinen folglich nur sehr eingeschränkt in der Lage, ihr Wissen akkurat einzuschätzen. Ein ähnlicher Befund zeigte sich bereits in einer Studie von König et al. (2012) in Bezug auf das pädagogische Wissen von Lehramtsstudierenden.
Die Rückmeldung im Rahmen des Self-Assessments kann Studierenden daher eine wichtige Orientierung über den eigenen Wissensstand bieten. Die Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit eines regelmäßigen Einsatzes von Self-Assessment-Verfahren entlang des Studienverlaufs, um Studierende evidenzbasierte bei ihrem Wissenserwerb zu unterstützen.
Weitere Forschungsprojekte und -erkenntnisse, die beim Tag der Bildungsforschung 2024 präsentiert wurden, finden Sie hier.
Ansatz und Ergebnisse des Forschungsprojekts ProViel
Im Dezember 2023 endete das große Förderprogramm „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“. Neun Jahre lang unterstützen Bund und Länder zahlreiche Projekte zur Reformierung und Verbesserung der Lehrkräftebildung in Deutschland.
An der Universität Duisburg-Essen wurden in diesem Rahmen unter dem Dach von „ProViel – Professionalisierung für Vielfalt“ seit 2016 insgesamt 24 Teilprojekte realisiert. Das Fach Sozialwissenschaften entwickelte hierbei mit SoWis-L ein Testinstrument, das erstmals sowohl das Fachwissen in den Bereichen Politik und Wirtschaft als auch das fachdidaktische Wissen verlässlich und getrennt voneinander erfassen kann. Hiermit war es möglich, erstmalig das Professionswissen von Lehramtsstudierenden des Fachs Sozialwissenschaften zu untersuchen. Die Befunde wurden in der Fachzeitschrift diagnostica veröffentlicht.
Mittels des entwickelten Fragebogens SoWis-L wird seither standardmäßig das Professionswissen von Lehramtsstudierenden zu Beginn der Masterstudiengänge Wirtschaft-Politik/Sozialwissenschaften im Rahmen eines Self-Assessments erhoben. Zusätzlich werden die Studierenden gebeten, ihren Wissensstand selbst einzuschätzen, um Vergleiche mit der Selbstwahrnehmung der Studierenden und ihren Testergebnissen zu ermöglichen. Das eigene Testergebnis wird den Studierenden anschließend mittels eines während der Befragung erstellten, individuellen, anonymen Codes zur Verfügung gestellt.
Ein gut ausgebildetes Professionswissen ist eine wichtige Voraussetzung für einen erfolgreichen Kompetenzerwerb und Studienverlauf, da die Inhalte des Masters auf dem Grundlagenwissen des Bachelorstudiums aufbauen. Noch wichtiger erscheint allerdings eine möglichst akkurate Selbsteinschätzung des eigenen Wissens, um zum Beispiel Defizite selbst zu erkennen und eigenverantwortlich im Verlauf des Masterstudiums zu schließen.
Die Ergebnisse des Self-Assessments sind vor diesem Hintergrund in mehrfacher Hinsicht relevant:
• Erstens bieten sie auf der Systemebene Einblicke in die Qualität der universitären Lehramtsausbildung.
• Zweitens dienen sie auf der Ebene des Qualitätsmanagements dazu, wichtige Informationen über den aktuellen Stand und die Entwicklung der Studierendenleistungen sowie relevante Einflussfaktoren zu generieren.
• Und drittens ermöglichen sie auf der Individualebene sowohl den Studierenden als auch den Lehrenden zu erfahren, welche Wissensbereiche bereits gut entwickelt sind und wo Unterstützungsbedarf besteht.
Weitere Analysen aus ProViel im Fach WiPo/SoWi sind derzeit in Vorbereitung.