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Wie gestalten SoWi-Lehrkräfte
ihren Unterricht?

Ergebnisse der NRW-Lehrkräftebefragung im Rahmen der
ICCS-Studie 2022

Lehrkräfte tragen entscheidend zum Lernerfolg von Schüler*innen bei. Das gilt auch für die schulische politische Bildung. Die Unterrichtsqualität im Fachkanon Politik/Wirtschaft/Sozialwissenschaften/Gesellschaftslehre hängt u. a. davon ab, ob Lehrkräfte hier geeignete Strukturen schaffen, die den Schüler*innen verständnisfördernde Lernprozesse für politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Zusammenhänge und Problemfragen ermöglichen. Gerade in Zeiten herausgeforderter Demokratien durch bspw. Desinformation in Social Media-Kanälen, dem Erstarken autoritärer Systeme und globaler Konflikte sind kompetente Bürger*innen entscheidend, um sich für demokratische Werte einzusetzen und im Dialog miteinander Lösungen für die Herausforderungen zu finden. Somit kommt Schule und den Fachlehrkräften bei der (Aus-)bildung zukünftiger Bürger*innen eine wichtige Rolle zu: Professionell gestalteter und an aktuellen Herausforderungen orientierter sozialwissenschaftlicher Unterricht ist eine Grundvoraussetzung, damit Schüler*innen zu mündigen Bürger*innen in einer Demokratie heranwachsen können.

Hier setzt die mittlerweile dritte International Civic and Citizenship Education Study 2022 (ICCS 2022) an. In der Studie wurden nicht nur politisches Wissen und Einstellungen von Schüler*innen in 24 Ländern, sondern auch die Situation an Schulen und die Leistungsfähigkeit der Schulsysteme im Hinblick auf politische Bildung erfasst. Der dazugehörige Sammelband ist jetzt im Waxmann Open Access erschienen.

Im Beitrag von Rukiye Ateş, Sabine Manzel, Hermann Josef Abs und Daniel Deimel werden sog. Sichtstrukturen untersucht. Diese beziehen sich auf beobachtbare Merkmale wie z.B. das Format des Unterrichts, Methoden und Medien, die für den Unterricht eingesetzt werden. Mithilfe eines Fragebogens wurden Lehrkräfte befragt, die sozialwissenschaftliche Unterrichtsfächer in achten Klassen unterrichten. Der Fokus der Untersuchung lag auf drei Teilaspekten:

  • Unterrichtsplanung (Nutzung von Quellen und Materialien für die Planung)
  • Gestaltung von Lernumgebungen (Umsetzung von Mikro- und Makro-Methoden, Sozialformen, Medien und Arbeitsmitteln)
  • Bewertungsformen, um Leistungen der Schüler*innen im sozialwissenschaftlichen Unterricht zu beurteilen.

Die Auswertung der Ergebnisse erfolgt für NRW sowie für europäische und außereuropäische Vergleichsländer.

In der Befragung wird deutlich, dass Lehrkräfte in NRW bemüht sind, aktuelle Themen, Materialien und Medien in ihren Unterricht zu integrieren sowie Themenwünsche von Schüler*innen zu berücksichtigen. Bei der Unterrichtsplanung fällt NRW, besonders bei der Nutzung des Internets, jedoch hinter Länder wie Taiwan zurück. Ebenso wird deutlich, dass in einer zunehmend digitalisierten und heterogenen Gesellschaft weiterhin auf die Arbeit mit dem „traditionellen“ Medium Schulbuch zurückgegriffen wird, so dass das Potenzial einer vielfältigeren Mischung von Medien bislang nicht ausgeschöpft zu sein scheint.

Im Hinblick auf die Bewertungspraktiken zeigen sich Unterschiede zwischen NRW und den Vergleichsländern: In der Sekundarstufe I sind in NRW keine schriftlichen Leistungsüberprüfungen gefordert, so dass die Beurteilung der Schüler*innen vor allem über Beobachtungen und Projektarbeiten erfolgt. Im Vergleich werden in anderen Ländern „klassische“ Prüfungsformate wie schriftliche Tests und mündliche Prüfungen bevorzugt. In allen untersuchten Kategorien ließen sich Disparitäten in den Ergebnissen hinsichtlich des Geschlechts der Lehrkräfte und der Schulform feststellen.

Auf die fachliche Lehrbefähigung kommt es an!

Schulformabhängige Unterschiede wie in den ICCS-Daten zu den Sichtstrukturen lassen sich neben den Faktoren Migrationsgeschichte und akademischer Hintergrund auch in den semesterweise stattfindenden Self-Assessments zum Professionswissen der Masterstudierenden am Lehrstuhl für Didaktik der Sozialwissenschaften finden (siehe hierzu auch unsere CIVES-News vom 13.02.2024). Die gezielte Messung des Professionswissens bei angehenden Lehrkräften an der UDE unterstützt die Qualitätssicherung und -entwicklung von Lehramtsstudiengängen. Dies erscheint umso bedeutsamer, wenn sich als entscheidendes Differenzmerkmal hinsichtlich qualitätsvollen Unterrichtsstrukturen in der ICCS-Studie 2022 die entsprechende Lehrbefähigung für das Fach herauskristallisiert. Hier besteht angesichts des Öffnens der Lehramtsausbildung für Quer- und Seiteneinsteiger*innen dringender Handlungsbedarf, um schulische politische Bildung als Kernelement für Demokratiebildung und weiterentwicklung zu stärken. Der Beitrag gibt einen ersten Anstoß, um notwendige bildungspolitische Schritte anzugehen.

Der Beitrag (Kapitel 13) sowie der gesamte Sammelband können beim Waxmann Verlag im Open Access heruntergeladen werden.