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Animationsfilme für die
SoWi-Lehrerbildung

Hinter den Kulissen des Projekts LArS.NRW

Das Projekt LArS.NRW entwickelt Animationsfilme für die Lehrerausbildung (vgl. Steckbrief unten im Infokasten). Es unterstützt angehende Lehrkräfte bei der fachdidaktischen Analyse und Reflexion von Unterricht und stellt hierzu authentische Unterrichtssituationen bereit. Realisiert wird das innovative Angebot von einem Team aus Fachdidaktiker*innen der drei Universitäten Dortmund, Essen und Wuppertal.  

Zum aktuellen Stand haben wir beim Projektteam nachgefragt und möchten wissen, wie es gerade „hinter den Kulissen“ läuft. Wir treffen JProf. Dr. Dorothee Gronostay, Projektverbundleitung LArS.NRW (TU Dortmund) und M.Ed. Frederik Heyen, Projektmitarbeiter im Teilprojekt an der Universität Duisburg-Essen zum Interview.
Die Fragen stellt Laura Möllers (Geschäftsführung CIVES School). 

CIVES: Liebe Frau Gronostay, was ist das Besondere am Projekt LArS.NRW?

Prof. Gronostay: Bei dem Projekt geht es um die Erarbeitung von OER-Materialien. OER steht für Open Educational Resources, dabei handelt es sich um Lehr-Lern-Materialien, die frei und ohne Lizenzabgaben genutzt werden können. Gerade in der Corona-Pandemie hat sich gezeigt, wie bedeutsam frei zugängliche, digitale Materialien für Unterricht und Ausbildung sind.

Videoaufzeichnungen echter Unterrichtsstunden sind in der Lehrkräfte-Ausbildung ein hilfreiches Instrument. So erhalten Lehramtsstudierende schon frühzeitig realistische Einblicke in den Unterricht. Leider ist das Arbeiten mit Unterrichtsvideos jedoch aufgrund des Datenschutzes kaum möglich. Hier bietet LArS eine Lösung! Durch die Darstellung realen Unterrichts als Animationsfilm – quasi zum bewegten Comic verwandelt – können Unterrichtsvideos endlich datenschutzkonform genutzt werden.

Gleichzeitig handelt es sich eben nicht um erfundene Szenen, sondern um echten, authentischen Unterricht. Mit der Transformation der Unterrichtszenen in Animationen geht aber auch Fokussierung einher. Nicht jedes Detail der Unterrichtsszene wird dargestellt. Wir schneiden die Animationen gezielt auf fachdidaktisch relevante Aspekte zu, während Aspekte der Klassenführung weniger im Blick sind. Hinzu kommt, dass die Schüler- und Lehrer-Avatare zwar individuelle Merkmale tragen, um Diversität abzubilden. Es sind aber stets dieselben zwei Lehrer-Avatare in den Animationen dargestellt, da äußerliche Besonderheiten der Lehrperson fachdidaktisch in der Regel nicht relevant sind. Zukünftig wird daher interessant sein zu erforschen, worin das spezifische Lernpotential dieses neuen Mediums der Lehrerbildung gegenüber klassischen Unterrichtsvideos oder Transkriptionen besteht.

CIVES: Wie teilen Sie sich die Arbeit an den Animationsfilmen im Projekt auf?

LArS beinhaltet mehr als Animationsfilme, auch wenn diese das zentrale Charakteristikum sind. Vielmehr wird LArS eine umfangreiche, digitale Lernumgebung mit Unterrichtsvideos, Aufgabenstellungen, interaktiven Elementen und Self-Assessments bieten. Durch unseren Projektverbund können wir uns an den drei Standorten auf verschiedene Aspekte konzentrieren. Mit meinem Dortmunder Projektteam widme ich mich den Facetten des Unterrichtseinstiegs. Wir wählen passende Unterrichtsszenen aus, die wir didaktisch aufbereiten. Das Essener Team kümmert sich um die Urteilsbildung im SoWi-Unterricht, und das Wuppertaler Teilprojekt widmet sich sogenannten „Critical Incidents“, also kritischen, herausfordernden Situationen im sozialwissenschaftlichen Unterricht.

LArS-Szenenfotos

CIVES: Das klingt nach einem aufwändigen Projekt, weil es nicht nur inhaltlich anspruchsvoll ist, sondern auch die technische Entwicklung beinhaltet. In welchem Stadium sind Sie gerade? 

Prof. Gronostay: Die didaktische Konzeptionsphase ist größtenteils abgeschlossen; wir haben besonders geeignete Unterrichtszenen ausgewählt und entsprechende storyboards, also Drehbücher, entwickelt. Diese werden von einem externen Filmteam in Animationsfilme und Comics umgewandelt. Dieser Prozess ist sehr intensiv und bedingt viele Absprachen. Schon allein aus dem Grund, dass es keinerlei Referenzprojekte gibt, die als Vorbild dienen könnten. Parallel zur Produktion erarbeiten wir das didaktische Begleitmaterial für die Lernumgebung.

CIVES: Herr Heyen, Sie sind LArS-Projektmitarbeiter bei Prof. Dr. Sabine Manzel am Standort Essen. Worum geht es bei dem UDE-Teilprojekt zur Urteilsbildung genau?

Frederik Heyen: Die Fähigkeit zur politischen Urteilsbildung gilt als Kernziel des SoWi-Unterrichts. Nur hierdurch wird die souveräne Teilhabe in der Demokratie möglich. Gleichzeitig ist es didaktisch sehr anspruchsvoll, politische Urteilskompetenz bei Schüler*innen systematisch aufzubauen. Das ist eine der schwierigsten Aufgaben für Lehrkräfte im SoWi-/Wirtschaft-/Politik-/GL-Unterricht. Hierbei wollen wir angehende LuL mit unserem LArS-Teilprojekt unterstützen. Prof. Sabine Manzel und ich haben Unterrichtszenen ausgewählt, mithilfe derer verschiedene Phasen der Urteilsbildung erfahrbar werden. Anhand der Animationsfilme sehen die Lehramtsstudierenden, wie Schüler*innen politische Urteile fällen und wie sie die Qualität verbessern können. Durch die Unterrichtsvideos und die interaktiven Elemente ist das alles viel plastischer und näher an der Realität als im theoretischen Seminar. 

CIVES: Also „mehr Praxis” schon im Studium abseits der Praxisphasen. Wie gelingt es, einen komplexen Lernprozess wie das Erlernen von politischer Urteilsfähigkeit in einer einzigen Szene einzufangen?

Frederik Heyen: Es ist eine sehr große Herausforderung! Es muss zum Glück nicht eine einzige Szene sein, da wir verschiedene Filme für einzelne Facetten der Urteilsbildungsphase entwickeln, aber die Anforderung an die didaktische Transformation ist immens. Komplexe Urteilsbildungsphasen im Unterrichtsverlauf auf kurze, prägnante Lernsituationen zu reduzieren, ist schwierig. Da bleibt eine gewisse Schematisierung oder Vereinfachung nicht aus, um auf wichtige Aspekte zu fokussieren. Generell geht es uns in allen Lern-Modulen, die wir in LArS entwickeln, um die professionelle Unterrichtswahrnehmung angehender Lehrerinnen und Lehrer, die wir mit unserem Angebot fördern möchten.

CIVES: Ist LArS auch für andere Zielgruppen als Studierende interessant?

Prof. Gronostay: Vornehmlich richtet sich LArS an Studierende und Hochschullehrende. In der Lehrerausbildung ist unser Angebot insbesondere für das Masterstudium gedacht, wo es in Uni-Seminaren eingebettet, verwendet werden kann. So können didaktische Fragestellungen und Probleme mit den Dozierenden diskutiert und vertieft werden. Generell fände ich eine Verzahnung mit der zweiten Ausbildungsphase, also dem Referendariat, sehr sinnvoll. Einige Fachleitungen an den Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung arbeiten bereits mit Unterrichtsvideos. Außerdem könnte ich mir vorstellen, dass sich die LArS-Lernmodule auch für die Ausbildung von Seiten-/Quereinsteigern im SoWi-Lehramt eignen würden.

Slider_News_Projektbewilligung_OERcontent.nrw

CIVES: Wo werden die fertigen LArS-Materialien zu finden sein?

Prof. Gronostay: Die digitale Lehr-Lernumgebung von LArS wird offen zugänglich unter einer freien Lizenz zur Verfügung gestellt werden. Alle Projekte, die derzeit unter der Förderlinie OERContent.nrw realisiert werden, werden später auf dem Landesportal ORCA.NRW abrufbar sein.

CIVES: Wir sind sehr gespannt auf die Ergebnisse und werden über die Veröffentlichung berichten. Vielen Dank für das Interview und den Einblick in den aktuellen Projektstand!

Bildnachweis:
Bilder 1,3,7: LArS.NRW; Bild 2, 4-6: privat